Fokus Pferdegesundheit #2 Das Gebiss

Eine unüberschaubare Menge an unterschiedlichsten Gebissen für das Pferd wartet auf dem Reitsportartikelmarkt. Nicht nur die unterschiedlichen Varianten in der Form, sondern auch die des Materials stellen so manchen Reiter bzw. Pferdebesitzer vor eine große Herausforderung bei der Wahl des richtigen Mundstücks. Häufig sehe ich bei den ersten Terminen bei meinen Kunden zu große und/oder zu lange Gebisse, da die Unsicherheit bei der Anpassung recht hoch ist. 

Deshalb möchte ich an dieser Stelle auf die wichtigsten Aspekte bei der Wahl und der Anpassung des richtigen Mundstücks für Euer Pferd  eingehen. Vorweg sei gesagt: Letztlich entscheidet immer das Pferd, mit welcher Variante es zufrieden ist. Hier geht es nun darum, die richtige Stärke und Länge des Gebisses zu ermitteln. Jedes Pferd ist anders; das eine empfindet eine einfach gebrochenen Wassertrense als am wenigsten störend, wohingegen ein anderes viel konzentrierter mit einer Stange arbeiten kann. Daher bleibt Euch nichts anderes übrig, als verschiedenen Varianten auszuprobieren und Eurem Pferd zuzuhören. Wichtig dabei ist aber, dass das Gebiss zum Pferdemaul passen muss. Im Folgenden einige Tipps, wie Ihr das richtige Gebiss findet.

Zudem geht es mir nicht um eine Diskussion um mit Gebiss vs. ohne Gebiss reiten sondern einzig und allein darum zu erklären, wie ein Gebiss richtig angepasst wird. Denn wer sein Pferd mit Gebiss reiten möchte, sollte es auch korrekt wählen!

 

Ich werde hier auf die Ermittlung der richtigen Gebissgröße sowie die gängigsten Formen der Gebisse eingehen und sie kurz erläutern.

Zuersteinmal sollte man zwischen zwei Grundformen unterscheiden, denn bereits hier misst man die korrekte Länge unter verschiedenen Aspekten.

  1. Gebisse mit durchlaufenden Ringen (Wassertrensen)
  2. Gebisse mit festen Seitenteilen (z.B. D-Ring, Olivenkopf, Schenkeltrense)

Bei der Breite von Gebissen mit durchlaufenden Ringen muss darauf geachtet werden, dass das Mundstück, wenn es gerade und ruhig im Pferdemaul liegt, auf beiden Seiten ca. 0,5 cm aus den Maulwinkeln herausragt. Das hat den Grund, dass bei einem kleineren Mundstück die Gefahrt besteht, dass die empfindliche Maulhaut zwischen Ring und dem Durchlauf eingequetscht wird. Bei einem zu großen Gebiss hingegen kann ein einfach gebrochenes Mundstück leicht am Gaumen anstoßen, was für das Pferd sehr unangenehm oder sogar schmerzhaft ist. Zudem rutscht es hin und her und kommt so kaum zum ruhigen Liegen.

Um die Gebissgröße vorab einigermaßen zuverlässig bestimmen zu können, legt  man dem Pferd z.b. ein breites, weiches Band oder Seil an der Stelle ins Maul, wo das Gebiss liegt. Wenn es nicht mehr kaut, markiert man am Band rechts und links mit 0,5 cm Abstand zur Maulspalte die Breite. Alternativ (und diese Methode verwende ich auch) nutzt man ein Gebiss, das definitiv zu lang ist und legt dem Pferd dieses ins Maul. Dann markiert man es an den entsprechenden Stellen und misst diese dann im Nachhinein.

Da die Hersteller unterschiedliche Messtechniken anwenden (der eine von Ring zu Ring, der andere von Durchlauf zu Durchlauf) empfehle ich, dies vorab beim Hersteller zu erfragen.

Bei Gebissen mit festen Seitenteilen gilt die 0,5cm Regel nicht. Hier sollten die Seitenteile ohne zu drücken am Maul anliegen, um die gewünschte Wirkung erzielen zu können. Demnach kauft man solch Gebiss in der Regel eine Nummer kleiner als eines mit durchlaufenden Ringen.

 

Die Gebissstärke lässt sich in etwa ermitteln, indem man Zeige- und Mittelfinger  aufgestellt an der Stelle in das Maul schiebt, an der das Gebiss liegt.  Bemerkt man hierbei den Druck von Ober- und Unterkiefer, kann man davon ausgehen, dass das Pferd nicht viel Platz im Maul hat und sollte auf ein Gebiss mit geringer Stärke (14mm-16mm) setzen. Ist ausreichend Platz vorhanden, also spürt man keinen Druck, sollte man ein dickeres Gebiss wählen um zu gewährleisten, dass es im Maul ruhig zum Liegen kommt. Hierbei muss natürlich beachtet werden, dass jeder Mensch verschiedenen Finger hat; es sind nur Circa-Angaben und beziehen sich auf Pferde mit einer Durchschnittsgröße von 1,60m.

Häufig werde ich, wenn ich ein dünneres Gebiss empfehle, gefragt, ob das nicht viel zu scharf sei. Dazu kann ich nur sagen: Ein Gebiss ist dann scharf, wenn die Reiterhand nicht mit ihm umgehen kann. Wer das Gebiss also unsachgemäß nutzt, schadet dem Pferd immer. Aus physikalischer Sicht betrachtet ist ein dickeres Gebiss natürlich weicher, da der Druck sich auf eine größere Fläche verteilt. Man sollte aber bedenken, dass sich die Pferdezucht grundlegend geändert hat. Durch das Einkreuzen von Vollblütern haben unsere heutigen (Sport-) Pferde schmalere Köpfe und somit auch weniger Platz im Maul bzw. zwischen Ober- und Unterkiefer. Waren früher Gebissstärken von 20-22mm "normal", liegt die durchschnittlich verwendete Stärke heute bei 16-18mm. Ist das Gebiss zu dick, kann das Pferd das Maul nicht schließen, ohne dass dabei die Zunge gequetscht wird. Kauen ist dann kaum möglich. Folgen können Druckstellen an Laden und Zunge sein.

 

Was sind nun die Vor- und Nachteile der verschiedenen Gebisse?

Hier gehen die Expertenmeinungen weit auseinander. Einige sagen, dass sie ausschließlich doppelt gebrochene Gebiss verwenden, da ein einfach gebrochenes Gebiss einen "Nussknackereffekt" hat. Dieses Argument konnte durch wissenschaftliche Studien bereits widerlegt werden.

 

Besitzt das Pferd eine normallange Maulspalte, eine normaldicke, nicht besonders fleischige Zunge sowie einen normal ausgeprägten Gaumen, empfehle ich immer ein einfach gebrochenes Gebiss. Hat das Pferd eine eher fleischige, große Zunge und einen ausgeprägteren Gaumen kann, neben dem einfach gebrochenen Gebiss, auch ein doppelt gebrochenes verwendet werden. Andersherum ist dies jedoch nicht empfehlenswert, da ein "normales" Maul mit einem doppelt gebrochenen Gebiss durch z.B. Anstoßen an die Hengstzähne gestört werden kann. Das doppelt gebrochene Gebiss liegt nämlich gebogener auf der Zunge und kann vom Pferd beim Kauen weiter Richtung der Hengstzähne geschoben werden. Ist der Platz zwischen den Laden bzw. den Zähnen ganz besonders klein, sollte entweder ein Baucher- oder ein Stangengebiss gewählt werden. Dieses kann nicht an die Zähne oder an den Gaumen stoßen.

 

Das Material bzw. die Materiallegierungen von Gebissen erweitern sich auch ständig. Ich achte in erster Linie darauf, dass kein Nickel enthalten ist, da dies häufig zu allergischen Reaktionen führt. Bzgl. der anderen Materialien rate ich dazu, das Pferd entscheiden zu lassen.

 

Egal, für welches Gebiss man sich entscheidet: Eine regelmäßige Kontrolle des Materials ist immens wichtig. Sowohl an den Ringdurchläufen als auch an der Verbindungsstelle der Mundstückteile können sich mit der Zeit scharfe Kanten bilden. Hier also regelmäßig raufschauen. Selbiges gilt für Gummi- und Nathegebisse, welche mit der Zeit unangenehme, das Nathe sogar scharfe Kanten entwickeln kann.

 

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