Geh und spiel mit Deinen Puppen, Baby!


Wer kennt diesen Satz aus “Dirty Dancing” nicht, als Francis “Baby” Houseman versucht, eine Lösung für die ungewollt schwangere Tänzerin Penny zu finden? Letztere spricht Ihr mangels ausreichender Lebenserfahrung mit diesen vernichtenden Worten jegliche Problemlösekompetenz ab. Am Ende geht es gut aus, Baby sorgt dafür, dass alle glücklich sind.


An manchen Tagen komme ich mir vor wie Baby, nur leider fehlt das Happy End. Nämlich dann, wenn ich mir als Nicht-Turnierreiterin, Nicht-ausschließlich-Dressurreiterin, Nicht-ausschließlich-Légèreté-Verfechterin und so weiter anmaße, den körperlichen Zustand einiger Pferde, deren Fotos in den sozialen Netzwerken gepostet werden, kritisch zu hinterfragen.

Zuletzt ging es um Bilder der Olympia-Dressurpferde beim Vetcheck, die veröffentlicht wurden. Erstmalig wurde ich mit diesen Bildern in meiner Trainergruppe konfrontiert. Hier waren wir uns alle einig, dass, zumindest nach dem, was auf den Fotos zu sehen war, einige dieser Pferde nicht an den Start gehört hätten. Online teilte ich einige der Fotos aus einem Beitrag. Die Schmähnachrichten ließen wieder einmal nicht lange auf sich warten. In diesen wird mir vorgeworfen, dass ich mir kein Urteil erlauben dürfe, da ich “nur” Wald- und Wiesenreiter und somit weit entfernt davon bin, irgendetwas über den korrekten körperlichen Zustand eines Dressur- bzw. Vielseitigkeitspferdes zu wissen. Ich solle doch weiter mit Halsring und Wendy-Zeitschrift über die Weide galoppieren und die Profis ihren Job machen lassen. In der Tat bin keine Profi-Reiterin. Aber ich weiß, wie sich Reiten auf einem gesunden Pferd anfühlt bzw. wie es aussieht. Ich weiß auch, wie ein Pferd uns trägt, welche Strukturen zusammenarbeiten, was die Reiterhilfen bewirken, ob die Ausrüstung wirklich passt und dass es sinnvoll ist, regelmäßig einen Trainer in Anspruch zu nehmen.

Also denke ich mir: Stehen da wirklich Profis, die die Pferde beurteilen? Vielen Tierärzten verzeihe ich es noch einigermaßen, dass sie keinen Blick für atrophierte Muskulatur im Bereich des Trageapparates haben; leider mache ich diese Erfahrung sogar sehr oft. Der Blick geht wohl woanders hin. Aber sollte man bei so einem wichtigen Wettbewerb nicht ausschließlich absolute Pferde-Vollprofis mit ganzheitlichem Blick entscheiden lassen?

Zudem hat heutzutage, soweit ich weiß,  eigentlich jeder Profireiter einen Physiotherapeuten und/oder Osteopathen für sein Pferd an der Seite. Und spätestens da stelle ich mir die Frage, wie die Pferde SO aussehen können, wenn sie der ständigen Kontrolle der Therapeuten unterliegen. Entweder hatten diese Therapeuten eine wirklich schlechte Grundausbildung oder sie sind schon so stark in die Maschinerie Pferdesport eingebunden, dass sie aufgegeben haben. Es geht hier immerhin um eine Menge Geld und wenn den Reitern und Sponsoren nicht passt, was der Therapeut zu sagen hat, wird halt ein neuer eingestellt, der die Klappe hält und das Pferd einigermaßen funktionieren lässt. 

Gleiches gilt für die Kontrolle der Ausrüstung.  Bei etlichen Dressurpferden der aktuellen Olympiade bemerkte ich, dass der Nasenriemen nicht nur augenscheinlich zu fest, sondern auch direkt unter dem Jochbein verschnallt war; kein harmloser Faux-pas! Warum wird so etwas nicht korrigiert? Auch nur aus o.g. Gründen der Wirtschaftlichkeit und Angst, bei zukünftigen Wettbewerben nicht mehr auf der Gehaltsliste zu stehen? Oder auch hier wieder fehlendes Wissen?

Das sind natürlich lediglich Vermutungen. 

Ich habe größtes Verständnis dafür, dass es kein Leichtes ist, mit dem Pferdesport seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich kann es sogar sehr gut nachvollziehen, da ich mich irgendwann auch dazu entschieden habe, hauptberuflich im Pferdebereich tätig zu werden. Meine Pferde müssen für Kurse herhalten, obwohl sie sich vielleicht anders entscheiden würden, hätten sie die Wahl. Und ja, es ist auch schon vorgekommen, dass ich ein Pferd in einem Kurs eingesetzt habe, dem es an diesem Tag gefühlt nicht 100%ig gut ging. Aber es geht schließlich auch darum, seine Rechnungen zu zahlen. Wiegesagt, ich kann das absolut nachvollziehen. Aber das immer größer werdende Ausmaß an regelrechter Kaltschnäuzigkeit, mit der die Pferdegesundheit übersehen wird, macht mich zunehmend trauriger. Online aber auch offline in diversen Ställen sehe ich kaum noch gut gerittene bzw. gearbeitete Pferde. Dennoch erhalten Fotos und Videos, in denen schlecht gearbeitete Pferde präsentiert werden, tausende von Likes. Da liegt wohl das Problem: Falsche Vorbilder führen zu falschem Verhalten der “Zuschauer”, die irgendwann auch zu Poststellern werden und dieselben falschen Dinge vormachen. Ein Teufelskreis. Und die Zahl der Pferde, die darunter zu leiden haben, wächst und wächst. Eine Tatsache, die ich in meiner täglichen Arbeit beobachten muss. Wenn dann die Aufklärungsarbeit bei den Besitzern beginnt, sind viele dieser erstaunt, zumal sie jahrelang in dem Glauben waren, alles richtig gemacht zu haben. Zumindest solange, bis ihr Pferd nicht mehr rund lief.


Ich bin dankbar für die Besitzer und Reiter, die bereit dazu sind, zu lernen und selbständig zu denken und in Folge dessen nicht mehr einem Vorbild nacheifern, sondern ihren eigenen Weg finden, der zu ihnen und ihren Pferden passt. Hätte ich einen Wunsch frei, wäre es dieser.


Foto: Pixabay